Tropfen auf den heissen Stein - Leserbrief vom St. Galler Tagblatt 17.10.2023
Auf eine Replik der Berit-Klinik zum Artikel des vsao reagierte Markus Diethelm der ehemalige Leiter der Weiterbildung und stellvertretende Chefarzt der Klinik für Allgemeine Inneren Medizin des KSSG
«Diese Kritik ist schlicht falsch», Lesebrief zur Ausgabe vom 7. Oktober
Den Eindruck, den die beiden CEOs der zwei grossen Ostschweizer Privatkliniken in diesem Artikel vermitteln, kann ich nicht unwidersprochen lassen. Als kürzlich pensionierter Mitverantwortlicher der Weiterbildung in Allgemeiner Innerer Medizin im Kantonsspital St.Gallen kenne ich mich hier aus und fokussiere mich auf dieses Thema.
Zur Klärung der Begriffe: Nach bestandenem Staatsexamen beginnt die Weiterbildung zu Fachärztin und Facharzt.
Die ärztliche Weiterbildung der wenigsten Privatspitäler erreicht quantitativ und qualitativ das Niveau von öffentlichen Spitälern. Während die Klinik Hirslanden diesbezüglich vier Stellen anbietet, ist diese Zahl selbst in den kleineren kantonalen Spitälern mindestens doppelt bis viermal so hoch. Am KSSG werden sogar über siebzig Personen zu Fachärztinnen und -ärzten für Allgemeine Innere Medizin weitergebildet. Die stationäre Weiterbildung der Privatkliniken erfüllt die Kriterien der Kategorie C, diejenige der öffentlichen Spitäler jedoch Kategorie B oder A (KSSG).
Selbst wenn die formalen Kriterien des SIWF (Schweiz. Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung) für die Anerkennung als Weiterbildungsstätte erfüllt sind, garantiert das noch keine hohe Qualität. Viele Privatspitäler kämpfen z.B. mit einem (zu) raschen Wechsel der ärztlichen Weiterbildungsverantwortlichen, während in den öffentlichen Spitälern eine viel grössere Konstanz gewährleistet werden kann. Und Kontinuität in der Weiterbildung ist nur eines von vielen «weichen», formell gar nicht erfassten Qualitätsmerkmalen. Im Übrigen dürfen wir die Beurteilung der Weiterbildungsqualität getrost den Betroffenen überlassen, die im – vom CEO der Berit-Klinik gescholtenen – VSAO (Verband Schweiz. Assistenz- und Oberärzte SG/AI) gut organisiert sind.
Der Beitrag der Privatkliniken an die Weiterbildung zu zukünftigen Hausärztinnen und -ärzten ist wenig mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein.
Markus Diethelm, St. Gallen